Difference between revisions of "Thesen2"

From Eucd.wizards-of-os.org
Jump to: navigation, search
 
(2 intermediate revisions by one other user not shown)
Line 1: Line 1:
'''Prämissen'''
 
  
* Grundversorgung ist essentieller Bestandteil des demokratischen Gemeinwesens.
 
* Grundversorgung ist der Auftrag, den das Bundesverfassungsgericht den öffentlich-rechtlichen Anstalten erteilt hat.
 
* Der Grundversorgungsauftrag erstreckt sich auch auf das Internet und andere digitale Medien.
 
* Das System der Grundversorgung kann nur fortbestehen, wenn es breite Akzeptanz findet.
 
 
'''Thesen'''
 
 
'''Demokratietheoretische Funktion'''
 
 
* Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist nicht Markt und nicht Staat und nicht Web 2.0
 
Der  öffentlich-rechtliche Rundfunk kann nicht in einer der anderen drei  Sphären aufgehen. Er muss seine Eigenständigkeit bewahren oder er  verliert seine Existenzberechtigung. Zu Markt, Staat und  Zivilgesellschaft/Web 2.0 muss er Schnittstellen unterhalten. 
 
Seine dem Gemeinwohl dienende Funktion kann er nur erfüllen, wenn er von der  Gemeinschaft dafür bezahlt wird. 'Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.'
 
 
* Der Öffentlich-rechtliche Rundfunk ist Bestandteil der Wissensinfrastruktur der öffentlichen Hand
 
Die öffentlich-rechtliche Organisation teilt der öffentlich-rechtliche Rundfunk  mit anderen Wissensinfrastrukturen der öffentlichen Hand: Schulen und  Universitäten, Bibliotheken und Sammlungen, Musik, Theater, Kino usw. In  Zeiten anhaltender neoliberaler Privatisierungstendenzen muss sich die  Sphäre der öffentlich organisierten Informations- und Kulturangebote in ihrer Eigenständigkeit behaupten. Der Auftrag des ÖR (Information,  Bildung, Beratung, Unterhaltung; Integration; Medienkompetenz usw.) ist  ausgestaltbar und entwicklungsoffen formuliert. In diesem Rahmen muss  der ÖR seinen Auftrag in enger Kopplung an die anderen Bereiche der  öffentlichen Wissenssphäre erfüllen, die gleichfalls gesetzlich  beauftragt und durch ihre jeweiligen Kuratorien (Filmförderung usw.) in  ihrer Qualität und Gemeinwohlorientierung legitimiert sind. Daher muss  der ÖR der Vermittlung der Angebote in den anderen Bereichen in seiner  Berichterstattung und Meinungsbildung ausgiebigen Raum geben und  Entwicklungen wie die Öffnung der Daten der öffentlichen Hand  unterstützen. 
 
So,  wie es heute Kooperationen zwischen ÖRs gibt (Arte, 3Sat), sind  ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit Universitäten, Europeana oder der  Bundeszentrale für politische Bildung anzustreben.
 
 
* Durch das Internet verändert sich Demokratie und damit auch die ihr dienende Funktion der Grundversorgung
 
Das Internet ermöglicht eine direktere partizipatorische Form von Demokratie, die in der jetzigen Form der Grundversorgungsgewährleistung noch keinen Wiederhall findet und Potenziale unausgeschöpft lässt. Bürger  sollten unmittelbarer Einfluss nehmen können. Entscheidungsprozesse müssen transparenter werden.
 
 
* Das Internet ist Element einer neuen, hybriden Form von Öffentlichkeit
 
Im  Internet wird Information und private und öffentliche Meinungsbildung  weiterhin von klassischen Massenmedien (Rundfunk, Presse) angeboten. Diese Angebote werden von Nutzern weiter verbreitet und erreichen damit  eine höhere Reichweite. Für zivilgesellschaftliche Organisationen senkt das Internet die Zugangschwelle erheblich und erhöht die potentielle  Reichweite ihrer Beiträge zur demokratischen Meinungsbildung. Noch stärker waren bislang Individuen in ihren Angeboten zur Meinungsbildung beschränkt (Speakers' Corner, Flugblätter, Graffiti etc.). Hier eröffnet das Internet eine neue Dimension der Beteiligung. Individuen können als  Augenzeugen in Text (Handy-) Foto, Video über Ereignisse berichten und  sich durch Kommentierung, Kontextualisierung, kritischen Recherchen (Guttenplag) und kreativen Bezugnahmen (Parodien) öffentlich äußern.
 
Der These einer Fragmentierung von Öffentlichkeit steht die einer emergenten Öffentlichkeit gegenüber. Der ÖR muss in dieser hybriden Öffentlichkeit als "Faktor und Medium" wirken, will er nicht Gefahr laufen, irrelvant zu werden.
 
 
* Die private und öffentliche Meinungsbildung sollte dialogisiert werden
 
Alle  Normen des Art. 5 GG (Presse, Rundfunk, Film, Kunst und Wissenschaft,  Forschung und Lehre) stehen im Licht der Meinungsfreiheit: Das Recht eines jeden, "sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten" und "seine Meinung in Wort, Schrift  und Bild frei zu äußern und zu verbreiten." Die materielle Wirklichkeit  dieses individuellen Rechts hat sich durch das Internet auf ungleich tiefgreifendere Weise verändert, als die der institutionellen Rechte von  Presse, Rundfunk, Film, für die das Internet im Wesentlichen ein neuer Ausspielkanal ist. Das Internet ist ein Viele-an-Viele-Medium. Es hat das Zeitalter der Read-Write-Gesellschaft (Lessig) eingeläutet. 
 
Da die Freiheiten des Art. 5 GG in enger Wechselwirkung miteinander stehen, muss diese Entwicklung sich notwendig auch auf die Ausgestaltung  der Rundfunkfreiheit und des Grundversorgungsauftrags auswirken. Waren die medientechnologischen Bedingungen für einen Dialog bislang im Wesentlichen auf Zuschauerbriefe beschränkt, muss eine Grundversorgung heute nicht nur die Meinungsvielfalt direkt zu Wort kommen lassen, sondern auch Raum für vielfältig vermittelten Dialog bieten. In einer gewandelten  'flüssigen' Demokratie ist zuallererst der ÖR gehalten, einen Ort für einen ständigen Dialog über Deutschland, Europa und die Welt zu schaffen.
 
 
* Wir brauchen eine evidenz-basierte und öffentlich verantwortete Medienpolitik
 
Medienpolitik, hier insbesondere Rundfunkpolitik, findet ihren Gestaltungsraum durch die verfassungsrechtlichen Vorgaben. Medienpolitik  wird ihrer Aufgabe der Steuerung von medientechnologischen und  -ökonomischen Entwicklungen im Gemeinwohlinteresse nicht gerecht. Lutz  Hachmeisters Analyse von 2000, sie sei  entweder "willfährige  Subventions- und Standortpolitik, gefalle sich in unverantwortlicher  Deregulierung oder erschöpfe sich in kraftlosen Ethikappellen" gilt unverändert. Ebenso seine Forderung nach einer "öffentlich verantwortete Medienpolitik". Zu einer solchen Medienpolitik gehört ein ö.r- Auftrag für eine qualifizierte Medienforschung.
 
 
'''Finanzierung''' 
 
 
* Beitragsfinanzierung ist weiterhin Voraussetzung für Unabhängigkeit der Öffentlich-Rechlichen
 
Öffentliche Güter müssen öffentlich finanziert werden. Weitergehende Finanzierungsmodelle sollen möglich sein, sofern privatwirtschaftlich organisierte Partner dem Grundversorgunsziel gesichert verpflichtet bleiben.
 
 
 
'''Medienökonomische Effekte'''
 
 
* Die Ausweitung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins Internet generiert neue Formen medienökonomischer Effekte
 
Öffentlich-rechtliche sind die größten Auftraggeber für Produktionsfirmen. Im Internetzeitalter muß der Kreis der Empfänger der Rundfunkbeiträge auf das gesamte urheberschaftliche Spektrum erweitert werden. Beitragzahlern muss die Möglichkeit gegeben werden mit zu entscheiden, in welche Projekte ihre Beiträge investiert werden. Transparenz der Finanzierungsströmen muss in jedem Fall gewährleistet werden.
 
 
* Urheber müssen angemessen vergütet werden
 
Urheber (Kreative / Produzenten) stehen am Anfang der Wertschöpfungs-, aber ganz am Ende der Nahrungskette. Warum sollen Sender alle Rechte inklusive neuer Auswertungsformen halten, aber nur zur Zahlung von revenues - also auf die plattformspezifische Verwertung bezogene Erlöse - im Nachhinein verpflichtet bleiben? Anforderungsgerechter und nachhaltiger Auswertungslauf ist im Netz möglich. Die Rechte für neue Auswertungsformen ("unbekannte Nutzungsarten") sollten daher bei den Urhebern bleiben. Das Potential, diese Rechte auszuwerten, liegt bei den Kreativen / Produzenten bzw. den Unternehmensformen, die neue Ertragspotentiale erst erschließen - u.a. mit dem Ziel, Erlöse bei den Urhebern zu halten.
 
Was im Rahmen der GV produziert wird, richtet sich an die Allgemeinheit. 
 
Daher  ist es das Ziel, alle ör-finanzierten Inhalte auf Dauer öffentlich  verfügbar zu halten. Gleichzeitig sollen aber Urheber für jede weitere  Verwertung entlohnt werden.
 
 
 
'''Organisation '''
 
 
* Grundversorgung im Internet-Zeitalter erfordert eine neue Organisation
 
 
* Grundversorgung im Internet-Zeitalter ist mit dem bisherigen Begriffsgegensatzpaar öffentlich/privat nicht gut beschreibbar
 
 
* Internet-Native sehen nicht mehr linear, sondern nach Bedarf, zeitsouverän, on Demand
 
 
* Die engen Beschränkungen bei den "Telemedien" behindern die Erfüllung des Grundversorgungsauftrags
 
 
   
 
'''Inhalte''' 
 
 
    Inhalte und Nutzung
 
 
    Grundversorgung im Internet muss weiterhin Integration leisten
 
 
    Grundversorgung bedeutet kuratierten Kontext herstellen: Aus Information wird Wissen
 
 
Grundversorgung heißt einen redaktionellen Kontext für Informationen zu schaffen
 
... einen gesamtgesellschaftlichen Sinnhorizont zu schaffen
 
Institution des medialen Vertrauens - Maßstäbe: Tust. Engagement. Relevancy. Standarts of Journalism. 3
 
 
    Die engen Beschränkungen bei den "Telemedien" behindern die Erfüllung des Grundversorgungsauftrags
 
 
Unter  den Einschränkungen sind an vorderster Stelle der obligatorische  Drei-Stufen-Test sowie eine Reihe von Vorgaben in der Negativeliste zu  nennen.
 
 
    Der Drei-Stufen-Test muss im Interesse des Gemeinwohls reformiert und angewandt werden
 
 
    Im Netz sind und bleiben Inhalte, sofern sie nicht depubliziert werden (bzw. aus technischen Gründen verloren gehen), verfügbar.
 
 
    Depublizieren ist ein Unding
 
 
    Rundfunkarchive müssen bewahrt und nutzbar gemacht werden
 
 
    In der "Read-Write Society" (Lessig) müssen öffentlich-rechtliche Inhalte Remixing zulassen
 
 
    Qualität und Quote oder Relevanz
 
 
Die Diskussion um das Verhältnis von Qualität und Quote, die die Debatte um Massenmedien und ihre Inhalte kennzeichnet, wird im Netz (s. Google) durch das  Kriterium der Relevanz erweitert. Dahinter steht die Frage, welche Information dem Gemeinwohl dient und wie bestimmt wird, was der Allgemeinheit dient.
 
 
    Auch von Nicht-Profis / Amateuren geschaffene Inhalte haben Qualität.
 
 
Seit mediale Produktionsmittel für jeden verfügbar sind und Inhalte im Netz frei zirkulieren, gibt es mehr und mehr nicht-professionell hergestellte Information von politischer Wirksamkeit und öffentlicher Relevanz. Sie können daher auch Teil der Grundversorgung werden.
 
 
    Für Herkunftsquoten.
 
 
Die AVMD-Richtlinie schreibt Herkunftsquoten für grenzüberschreitendes kommerzielles Fernsehen vor. Diese werden nicht eingehalten und vollstreckt (soft law). Die Einhaltung der im Drei-Stufen Test verfügten Normen durch die ÖR wird streng überwacht, die durch die Privaten nicht.
 
 
    Grundversorgung soll verstanden werden als ein Gesellschaftsvertrag zwischen Kreativen und Publikum.
 
 
Obowhl die Trennung von Produzenten und Konsumenten sich im Netz nicht mehr im tradierten Sinn besteht, kann Grundversorgung gewährleisten, dass der Input von Inhalten in seinem gemeinschaftlichen Nutzen gefördert, anerkannt und in dieser Weise eine Art von Vertragsverhältnis herstellt.
 
 
    Internet-Native sehen nicht mehr linear, sondern nach Bedarf, zeitsouverän, on Demand.
 
 
    Experimente und Diskurse dringend gebraucht!
 
 
Wie bekommen wir den GV-Auftrag ins internet? "Leuphana-TV" - ein internetbasiertes Bewegtbild-Angebot öffentlich-rechtlichen Zuschnitts - dient als proof of consent zu dem vorstehenden Thesenkatalog.
 
"Leuphana-TV" soll prototypisch zeigen, wie ein alternativer Rundfunk-Begriff gefüllt werden und funktionieren könnte.
 
 
 
'''Fernmeldetechnisch/medientechnologisch'''
 
 
* Die Many-to-Many-Kommunikation erfordert neue Qualitätsmaßnahmen im Sinne der Grundversorgung
 
 
* Grundversorgung im Internet braucht Grundversorgung mit Internet, netzneutral
 
 
* Die Grundausstattung mit Internet ist ein Wirtschaftsfaktor
 

Latest revision as of 16:18, 7 July 2012